Deutschland

Hilfe für das Ahrtal

Hilfe für das Ahrtal

Samstag 7.August 2021

Wir treffen uns um 6:00 Uhr früh in Wendlingen, um nach einer Morgenmeditation ins Katastrophengebiet zu fahren.

Sieben Mitglieder unseres Vorstandsgremiums in drei vollgepackten Fahrzeugen.

Stemmeisen, Spaten, Schaufeln, Eimer, Handschuhe, Staubmasken und vieles mehr haben wir dabei. Wir wissen nicht was uns erwartet und wollen möglichst gut vorbereitet sein. Kurz gegen 10:00 Uhr haben wir den Industriepark Rheinland-Pfalz in Grafschaft erreicht. Die Parkplätze dort sind schon gut gefüllt mit den Kfz hunderter Freiwilliger, die teilweise dort auch ihre Zelte aufgeschlagen haben. Lange Schlangen haben sich vor den Treffpunkten der Shuttles, die die Helfer ins nicht weit entfernte Überflutungsgebiet bringen schon gebildet.

Helfen auch Sie mit, den Menschen im Ahrtal beizustehen

Autobahnschild Ahrweiler

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Unser Projekt "Hilfe für das Ahrtal" ist beendet

Wir hören über Lautsprecher die Anweisungen der Organisatoren. Mittendrin die Ansage, dass für den Ort Marienthal rasch Helfer gesucht werden. Sofort melden wir uns, können lange Wartezeiten vermeiden und fahren mit Manfred, ein Bewohner Ahrweilers, der Urlaub genommen hat, um sich und seinen Landrover für solche Fahrten zur Verfügung zu stellen dorthin.
Ankommen und ausladen
Transport im Jeep
Ein Bild der Verwüstung erwartet uns. Darunter ein Haus, das nur noch zur Hälfte dasteht. An einer noch intakten Innenwand hängt an der Garderobe eine Handtasche und Kleidung der ehemaligen Bewohner. Wem mögen sie wohl gehört haben, leben die Menschen überhaupt noch? Einiges geht uns erschüttert durch den Sinn.

Vollständig unterspülte Bahngleise und weggerissene Brücken ziehen sich am Fluss entlang, der auf bis zu sieben Meter Höhe in kürzester Zeit angeschwollen war. Unvorstellbar.

Beschaedigte Haeuser
Beschaedigte Haeuser
Zerstoerte Bruecken
Unterspuelte Eisenbahnlinie
Grosse Verwuestungen
Schlamm im Haus
Ein einsturzgefährdetes Hotel dürfen wir nicht betreten, man hat uns vorher gewarnt. Wir halten uns daran und staunen nur, wie es sein kann, dass ein kompletter Baumstamm im wohl ehemaligen Speisesaal steckt.

Das Haus, zu dem man uns schickt, ein ehemaliges Weingut, steht leer. Wo sind die Bewohner, mit denen man über mögliche Hilfe sprechen könnte? Niemand kann uns das sagen. Nach langem Suchen endlich die Nachricht, dass wir hier vorerst nichts tun können. Das gesamte Haus sei leergeräumt, Putz und Estrich bereits von Decken, Wänden und Böden herausgeschlagen.

Wir erfahren von einem Anwohner, dass der Nachbarort Dernau noch schlimmer verheert worden sein soll. Es gelingt uns, einen LKW der Feuerwehr anzuhalten. Der Fahrer stammt aus dem Westerwald, verrichtet hier Schichtdienst und pendelt seit Wochen zwischen seiner Heimat und dem Ahrtal hin und her. Wir steigen in Dernau aus, nicht ohne uns herzlich bei dem Mann für seine segensreiche Tätigkeit und seinen persönlichen Einsatz zu bedanken.

Grosse Schaeden überall
Grosse Schaeden überall
Auch hier brennen sich Bilder der Verwüstung in unser Gedächtnis. Versorgungsstände, ein Rotkreuz Erste Hilfe Zelt und Massen Freiwilliger säumen die teils noch schlammigen Straßen. Wir fragen uns durch. Hilfe wird überall benötigt, doch wo ist „unser“ Platz?

Wir beschließen – was nicht geplant war – uns zu trennen.

Die vier Frauen unserer Truppe gehen zu Monika und Heinz. Sie besaßen vor Wochen noch ein Hotel, welches derzeit aber abgerissen wird. Die Hoffnung, dass es gerettet werden könnte, habe sich schnell zerschlagen. Ihr Lebenswerk sei in den Fluten untergegangen berichten Sie uns verzweifelt. Beide waren während der Flut nicht vor Ort, die im Erdgeschoss lebende Mutter konnte von Monikas Bruder in letzter Sekunde gerettet werden. Zusammen mit Ihrer Tochter wollen sie aber wieder ein Hotel aufbauen.

Mit Hilfe einer Gruppe aus Hamburg und Bremen, die vor zwei Wochen schon mit Mikrobaggern auf Tiefladern und Motorsägen angereist sind, befreien unsere Frauen den verwüsteten Garten des Wohnhauses von herumliegendem Gestrüpp. Wie auch die Menschen hier sind viele Bäume entwurzelt. Im Weiteren wird der vom ausgelaufenen Heizöl kontaminierte Boden abgetragen. Sehr harte Arbeit.

Wir arbeiten im Garten
Wir arbeiten im Garten
Trost alleine scheint eine Rose zu spenden, die im ölverschlammten Gestrüpp gefunden wird. Heinz, der offensichtlich immer noch sehr traumatisiert ist und kaum reden kann, versorgt uns zwischendurch mit Essen und Getränken zur Stärkung als Zeichen seiner Dankbarkeit für unsere Unterstützung.
Rose

Derweil haben wir drei Männer ein Wohnhaus im Zentrum des Ortes gefunden, aus welchem im Obergeschoss Schutt herausgeworfen wird. Wir treten ein und helfen, den Putz aus den Decken und darunterliegende Holzlatten mithilfe von Spaten und Brecheisen herauszuschlagen. Ein vorbeikommender Radlader stellt sich vors Haus, stellt die Schaufel hoch direkt vors Fenster im ersten Stock und erleichtert so den Abtransport des Schutts. Der beim Arbeiten entstehende Staub raubt uns den Atem und das Hämmern der Bohrmeisel der anderen Helfer dröhnt lange nach.

3 freiwillige Helfer
Vor der Rueckfahrt
WIr sind auf dem Weg
Nach Stunden treffen wir uns alle wieder, ziehen mit unseren Gerätschaften durch die Straßen und treffen Katharina.

Sie steht mit leeren Augen vor Ihrem Haus, das wie fast alle Häuser des Ortes derzeit unbewohnbar ist. Sämtliche Möbel wurden von den Fluten weggerissen oder waren nicht mehr zu gebrauchen.

Ihr Haus ist völlig leer, kann nicht bewohnt werden. Sie ist in einer Notunterkunft untergekommen. Wie die meisten Bewohner hier, ist sie nicht gegen Elementarschäden abgesichert. Ihre Situation berührt unser aller Herzen sehr. Wir stellen Ihr bzw. Ihrer Mutter, die gegenüber wohnt, finanzielle Hilfe in Aussicht. Die Tränen beider zeigen uns, wie verzweifelt die Menschen in Wahrheit hier sind. Auch wenn viele noch Lachen können, wie es im Ort weitergehen soll weiß niemand.

Sie wollen aber nicht wegziehen. Wohin auch? Tief verwurzelt sind die Menschen hier.

Menschen die Hilfe benötigen
Ein paar Schritte weiter treffen wir auf Susanne. Sie ist Yogalehrerin. Sie zeigt uns ihr ganzes Haus und das dazugehörige Yogastudio, welches liebevoll von ihrem Mann in monatelanger Arbeit aufgebaut wurde. Auf lange Sicht ist beides nicht vollständig nutzbar, immerhin können sie im zweiten Stock noch schlafen. Die Schäden sind immens. Ein Teil des Hauses wird provisorisch von eingesetzten Stützpfeilern getragen, bis wieder Wände eingezogen sind.

Ihr Auto stand nach Weggang der Fluten hochkant und zertrümmert vor der Garage. Sie ist sehr aufgewühlt, spricht ununterbrochen und kann sich so wohl viel von der Seele reden. Vor ein paar Monaten hatte sie eine Hüftoperation und war nun endlich wieder in der Lage, Yoga zu lehren und freute sich sehr, wieder Kurse anbieten zu können. Durch die schweren Aufräumarbeiten hat sie nun wieder Schmerzen.

Schweren Herzens ziehen wir weiter. Unser Shuttle, welches uns zurückbringen könnte, wird jedoch längere Zeit nicht verfügbar sein, wie wir am Telefon erfahren.

Kurzerhand sprechen wir Robert an, der mit seiner Frau aus dem Kreis Esslingen in einem geliehenen Transporter hier sein Wochenende verbringt, um den Menschen zu helfen. Sie haben zuhause Spenden gesammelt und stellen Hilfsgüter bereit.

Er fährt uns abends, wir auf der Ladefläche seines Sprinters sitzend, gegen 18:00 Uhr zum Industriepark zurück, so als ob es selbstverständlich wäre.

Nachdem wir uns saubere Kleidung angezogen haben, besteigen wir unsere Fahrzeuge und fahren nach Hause, durchdrungen von Gedanken, Gefühlen und Bildern, die wir so schnell nicht vergessen werden.

 

Zahllose Menschen haben im Ahrtal Ihr ganzes Hab und Gut verloren und sind in Notunterkünften oder bei Freunden und Verwandten vorerst untergekommen. Ca.150 Menschen kamen ums Leben.

Unsere eigenen Häuser und Wohnungen sind intakt, Strom und Wasser haben wir auch. Im Raum Ahrweiler wird es auf lange Sicht noch an all dem fehlen. Die Vögel kommen langsam ins Tal wieder zurück sagt uns beim Abschied noch eine Frau.

Rueckfahrt zum Parkplatz
Rueckfahrt zum Parkplatz

Update 3. November 2021

Es ist 07.15 Uhr als drei Mitglieder unseres Vereins sich auf den Weg nach Dernau machen. Wir sind dort mit Monika und Katharina verabredet. Monika und ihre Tochter Katharina haben bei der Flutkatastrophe im Juli im Ahrtal fast ihr gesamtes Hab und Gut verloren. Bei unserem ersten Besuch im Ahrtal im August haben wir Monika und Katharina kennengelernt und sofort war eine Herzensbeziehung entstanden. Die Situation hat uns so berührt, daß wir spontan Monika und Katharina unsere Unterstützung zugesagt haben. Wir haben €1000 sammeln können. Diese Spende möchten wir den beiden heute übergeben.

Je näher wir Dernau kommen, desto mehr steigt unsere Aufregung. Was hat sich verändert seit unserem letzten Besuch? Wie geht es den Menschen inzwischen? Was erwartet uns dort?

Wir treffen am späten Vormittag in Dernau ein. Vieles hat sich verändert. So können wir ohne Straßensperrungen direkt nach Dernau fahren. Die Straßen sind viel besser befahrbar und wir sehen nur noch wenig Schutt an den Straßen liegen. Es ist stiller geworden im dem kleinen Städtchen.  Wir treffen nur noch vereinzelt Helfer an, es sind viel weniger als noch im August. Fast möchte man glaube, daß ein wenig Normalität wieder eingekehrt ist. Doch hinter der Fassade, schaut es anders aus. Viele Häuser sind zwar inzwischen entkernt, aber es fehlt an Strom, Heizung, Böden, sanitären Anlagen und an vielen grundlegenden Dingen und einer funktionierenden Infrastruktur.

Als wir bei Monika eintreffen, nimmt sie uns alle herzlich in den Arm. Sie freut sich, daß Menschen zu ihr kommen und ihr zuhören. Katharina muss arbeiten und kann leider nicht dabei sein. Monika erzählt uns, wie es ihr ergangen ist. Wir sind beeindruckt, mit welcher innerer Kraft, Monika die Situation meistert. Es ist leicht alles hinzuschmeißen, aber Monika ist eine Kämpferin und denkt nicht daran, aufzugeben. Monika lacht wenig aber nimmt die ganze Situation mit Humor. Wir schauen uns um im Haus und sehen, daß kein Boden vorhanden ist, die Wände sind nicht verputzt und Wärme und Strom kommen von Generatoren. Möbel oder persönliche Dinge gibt es nicht. Monika redet viel und sie sagt selbst, daß sie sich auf diese Weise die Verzweiflung von der Seele reden kann. Die Unsicherheit, wie es weitergeht, belastet sie sehr und die Erinnerungen an die Katastrophe sind noch präsent.

Jetzt wo viel Arbeit im Außen getan ist, meldet sich die Seele zu Wort.  Das graue und regnerische Novemberwetter verstärken noch die Situation. Wenn es regnet, kommen sofort Gedanken an die Nacht vom 14. auf den 15. Juli. Katharina leidet sehr darunter und gerät in Panik, wenn es stärker regnet. Ängste und Verzweiflung kommen wieder ins Bewußtsein denn Zeit für eine Aufarbeitung gibt es fast nicht.

Die Unterstützung von staatlicher Seite dauert länger als sonst und jetzt steht als nächstes der Kampf mit der Bürokratie an. Die Behörden sind oft überfordert und Formulare ohne Computer auszufüllen, nur mit dem Handy, gleicht einem Kampf gegen Windmühlen.

Als wir auf Weihnachten zu sprechen kommen, spüren wir, daß das Fest noch weit weg ist für Monika und die Bewohner des Ahrtals. Monika denkt von Tag zu Tag. Trotzdem möchte sie das Haus so gut wie es geht schmücken.  Aber es gibt auch gute Nachrichten. Monika erzählt uns, daß nächste Woche hoffentlich neue Fenster kommen und hoffentlich auch ein Gutachter.

Da kommt die Unterstützung unseres Vereins gerade recht!

Als wir Monika den Scheck überreichen, ist die Freude natürlich groß. Sie freut sich nicht nur über das Geld, sondern auch darüber, daß Menschen Anteil nehmen, ihr zuhören und sich auf den Weg nach Dernau gemacht haben.

Auch wenn unsere Spende nur der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein ist, haben wir trotzdem ein klein wenig helfen können. Wir verabschieden uns herzlich und verabreden uns gleich für das nächste Treffen. Dann bringen wir Kaffee und Kuchen mit!

Wir verlassen Dernau mit dem Gefühl, daß Monika es schaffen wird, das Haus wiederaufzubauen.

Die Dankbarkeit der Bewohner des Ahrtals wird uns bei der Abreise nochmal vor Augen geführt. Ein riesengroßes Herz mit DANKE ist im Flussbett liebevoll gestaltet worden und wir sehen an vielen Stellen, wie dankbar die Menschen für die Unterstützung sind.

Im Auto ist es still auf der Heimfahrt und wir denken noch lange an den Tag und an die Bewohner des Ahrtals. Die Katastrophe ist noch lange nicht vorbei und die seelische Aufarbeitung hat noch nicht einmal begonnen.
Wer gerne mit uns zusammen die Menschen im Ahrtal unterstützen möchte, kann dies gerne durch eine Spende mit dem Betreff „Ahrtal“ auf unser Vereinskonto tun. Wir werden die Menschen im Ahrtal weiter unterstützen. Sie können sicher sein, dass alle Gelder die uns zur Verfügung gestellt werden zu 100% an die Menschen im Ahrtal weitergegeben werden.

 

Helfen Sie den Menschen im Ahrtal

Über unseren Verein
Projekte des Herzens e.V.

Projekte des Herzens e.V wurde 2018 gegründet. Unser Sitz ist in Wendlingen am Neckar.

Durch unsere Reisen hat jeder einzelne von uns eine besondere Beziehung zu unseren Projekten.

Unser Versprechen: 100% der Spenden kommen genau dort an, wo sie benötigt werden.